Frau Hüttel auf der Kanzel

Fastenpredigt von Dekanin i.R. Karin Hüttel vom Sonntag Reminiszere, 25. Februar 2024

Die Schätze meines Lebens – Quellen der Kraft

Gnade sei mit euch und Friede, von dem, der da war und der da ist und der da kommt.

Liebe hier in der Laurentiuskirche versammelte Gemeinde, ich grüße Sie herzlich und ebenso alle diejenigen, die über Bildschirm und Lautsprecheranlage dabei sind! Ich freue mich über die Einladung – hier zu predigen. Mit St. Laurentius verbinde ich einige wertvolle persönliche Erinnerungen, etwa meinen Einführungsgottesdienst als Studienleiterin am Pastoralkolleg vor fast fünfundzwanzig Jahren, den Konfirmationsgottesdienst unserer Tochter Johanna – unter der Leitung von Pfarrerin Lefevre im Jahr 2005 - , und ich denke auch an zwei bewegende Trauergottesdienste hier, für Menschen, die mir sehr nahestanden.

Noch viel mehr an Erinnerungen und Lebenszeit verbindet die meisten von Ihnen mit dieser schönen Kirche.

Wie gut, dass wir sie und andere Gotteshäuser haben.!

Liebe Schwestern und Brüder, ich nähere mich dem Thema: „Die Schätze meines Lebens – was gibt mir Kraft““ ganz bewusst mit einem Blick darauf, wo wir uns befinden – nämlich eben in dieser Kirche –oder an einem ruhigen, ungestörten Platz daheim – es brennen Kerzen, Zeichen für Jesus Christus, der das Licht unseres Lebens ist. Heilige Räume, - und darin ein Gottesdienst,  - Licht, Musik, andere Menschen neben mir, mit mir: was für ein wohltuendes Angebot.

Solche  „Atempausen für die Seele“ sind für mich ein Schatz – ja, und sie stärken auch das Immunsystem, die körperliche und geistliche Widerstandskraft.  Sie sind gut gegen Hoffnungslosigkeit, Trübsal und allerlei Sonstiges, was krankmachen kann.

Und wie gelingt es, dass ich wirklich etwas spüre, dass Gottes heilige Geistkraft wirksam wird in mir?

Machen kann ich es freilich nicht.

Aber: still werden kann ich. Mich öffnen. Hören mit dem „Herzensohr“. Darum können wir bitten und das wollen wir jetzt tun:

„Gott, dein Wort kann trösten, kann Leib und Seele gesundmachen, - öffne meine Ohren und mein Herz, lass Wärme und Freude mich durchströmen.

Segne unser Reden und Hören.

 

Liebe Gemeinde,

es ist schon ein paar Jahre her - ich war unterwegs von einer Tagung in Baden-Württemberg, hatte bei einer Freundin übernachtet und wollte mit dem Zug heimfahren. Alles verläuft planmäßig. Auch der Zug ist pünktlich. Wir fahren ab. Nach geraumer Zeit kommt der Schaffner, der „Zugbegleiter“, wie es heute heißt: “Ihre Fahrkarte bitte!” Ich krame in meiner Tasche, aber: -- Die Fahrkarte ist weg. Hektisches Kramen, „das gibt’s doch nicht, die muss doch da sein“

 “Ich komme gleich noch mal wieder,” sagte er geduldig, “vielleicht finden Sie sie ja noch!” - In dem Moment schießt es mir in den Sinn: Du hast die Fahrkarte im Flur bei der Freundin liegen gelassen. -

Der Schaffner kommt wieder. Ich erzähle ihm mein Unglück. Er sagt: ”Da hilft gar nichts. Sie brauchen eine neue Fahrkarte: 78 Euro. Wir Zugbegleiter werden auch ständig kontrolliert. Mein Kollege wird das mit Ihnen abrechnen. Wir haben nämlich gleich Schichtwechsel.”

Da kommt der neue Zugbegleiter. Man hatte ihn schon informiert. Er sieht, wie ich mit leeren Händen und ganz zerknirscht dasitze. Ohne Fahrkarte. Ich erzähle ihm nochmal mein Unglück! – Er nickt, dann fragt er: “Sind Sie aus Franken?” Ich sage: “Ja, Mittelfranken, aber aufgewachsen bin ich in Oberfranken” - und er sagt: “ Ja, das hört man schon, am „el“ – ich stamme auch aus Oberfranken, aus Marktredwitz“. „Ach, Rawertz, sage ich, kenn ich - da bin ich in die Schule gegangen“  – er guckt mich an, räuspert sich und sagt: „Wissens wos, - ich nimm Sie asur miit bis Nürnberch . Sie solln ja hoim kumma!“  - So bin ich ans Ziel gekommen, ohne Fahrkarte und ohne noch einmal den Preis dafür zu bezahlen, wie es eigentlich hätte sein müssen!

Ein Alltagserlebnis. Was hat es zu tun mit einer biblischen Kraftquelle für den heutigen Sonntag „Reminiszere“? Ich lese die Epistel aus dem Brief des Paulus an die Gemeinde in Rom, im 5. Kapitel, die Verse 1-5:

Da wir nun gerecht geworden sind durch den Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus; durch ihn haben wir auch den Zugang im Glauben

zu dieser Gnade, in der wir stehen, und rühmen uns der Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit, die Gott geben wird.

Nicht allein aber das, sondern wir rühmen uns auch der Bedrängnisse, weil wir wissen, dass Bedrängnis Geduld bringt, Geduld aber Bewährung, Bewährung aber Hoffnung.

Und Hoffnung lässt nicht zuschanden werden; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.

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Wir Menschen sind ja meistens unterwegs - von A nach B, von C nach D. Wir schmieden Pläne, setzen uns Ziele, die wir erreichen wollen:

Die Konfirmation, der Führerschein, ein guter Schulabschluss, einen Beruf erlernen, einer Be-rufung folgen, den Herzensmenschen finden, vielleicht mit ihm/ihr eine Familie gründen, arbeiten, sich des Lebens freuen, Ängste und Stress bewältigen, mit Krankheiten und Altersbeschwerden umgehen lernen, Geduld und Gelassenheit üben ….

Und dann irgendwann:

Wie hatte doch der Zugbegleiter zu mir gesagt: “Sie solln ja hoim kumma.”

Das ist das Ziel, letztlich, für einen Christenmenschen. Heimkommen. Heimkommen zu Gott.

Die Frage heute aber, die Frage für diese Predigt, ist:

Woher kriege ich genug Kraft für unterwegs, für dieses ganze Leben mit Freude und Leid, Leichtem und Mühsamen, mit Licht und Dunkel ….ja, das Dunkel ist groß derzeit, weltweit und auch unter uns hier.

Angst und Sorgen - „Bedrängnisse“, sagt Paulus -  ja, die Bedrängnisse sind manchmal übermächtig, rauben einem den Schlaf und es wird eng um die Brust.

Woher kriege ich genug Kraft für unterwegs?

Meine Antwort, mein „Schatz fürs Leben“: Ich brauche sie, diese Atempausen für die Seele. Das Aufatmen in einem Gottesdienst. Ich brauche die Stille, die Musik, den Anspruch des Wortes Gottes -  und den Zuspruch des Segens, der mir, uns, jedem, jeder von uns gilt: „Gott lasse sein Angesicht leuchten über dir ….er erhebe sein Angesicht auf dich und schenke dir Frieden.“

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Da wir nun gerecht geworden sind durch den Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus; durch ihn haben wir auch den Zugang im Glauben zu dieser Gnade, in der wir stehen, und rühmen uns der Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit, die Gott geben wird.

Was für ein Schatz, ja, ein ganze Schatzkiste tut sich da auf:
Frieden. Freier Zugang zu Gott, der Quelle des Lebens. Hoffnung, das ganze Leben lang und darüber hinaus.

Wir haben einen freien Zugang zu Gott, weil Jesus Christus alles dafür getan hat. Jesus hat schon für uns bezahlt.

Warum tut er das?

Das ist gar nicht so einfach zu erklären. - Wobei es auch nicht einfach zu erklären ist, warum dieser eine Schaffner, an den ich da geraten war, mich ohne Fahrkarte mitgenommen hat.

Warum der Gnade vor Recht ergehen lassen hat. Das hätte ihn in gewaltige Schwierigkeiten bringen können. Aber: “Sie solln ja hoim kumma”, hatte er gesagt. Und genau das will Jesus auch, für alle Menschen.

Er hat viele Geschichten erzählt, die nichts Anderes beschreiben, als wie Menschen heimkommen, zu Gott. Und wie sie unterwegs Kraft schöpfen, wie sie einander beistehen und die Hoffnung nicht verlieren in all den Bedrängnissen.

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Bei dem freundlichen Schaffner hat`s vielleicht daran gelegen, dass er Oberfranke war, genau wie ich! Aber seht ihr, darum ist Jesus, der Sohn Gottes, Mensch geworden. Einer von uns, um sozusagen mit uns zu fühlen und empfinden zu können! Vielleicht denken wir auch:

Naja, dieser Schaffner ist halt mal großzügig gewesen und hat die Konsequenzen auf seine Kappe genommen.

Aber wenn wir das schon diesem Zugbegleiter zutrauen, dann vertrauen wir doch auch unserem besten Freund:  Dass er barmherzig, dass er großzügig mit uns ist, weil er will, dass wir heimkommen.

Dass er lieber die Konsequenzen auf seine Kappe nimmt, als dass es an diesem Ziel scheitert. Dass er lieber selber bezahlt, als uns noch einmal bezahlen zu lassen.

Paulus schreibt in seinem Brief an die Gemeinde in Rom: So haben wir denn nun Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus. Durch ihn haben wir auch den Zugang zur Gnade.

Da ist sich Paulus ganz sicher. Der Schaffner für seine Lebensreise heißt Jesus Christus und der will, dass er heimkommt und wird alles dafür tun.

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Vor Jahren war ein Lied des Sängers Herbert Grönemeyer auf Platz eins der Hitliste.

Es heißt schlicht “Mensch”. Es entstand nach dem Tod von Grönemeyers Frau, die an einer Krebserkrankung starb, noch jung an Jahren. Es war eine Zeit, in der der Sänger in ein tiefes Loch gefallen war. Er hatte sich fast ein Jahr lang völlig zurückgezogen und beschreibt: “Es war wie ein Versuch, nach einem Unfall wieder laufen zu lernen”. Schritt für Schritt, ganz langsam.
 

Was ist der Mensch? Sicher nicht nur sein Erfolg, nicht nur das, was gut gelingt. Auch die dunklen Seiten des Lebens haben ihren Wert. Und es gibt eine Kraft, die wir selbst nicht einüben oder machen können. Sie wirkt in uns. Gottes Heilige Geist-Kraft wirkt, sie tröstet und sie stärkt.

Herbert Grönemeyer singt:
“Der Mensch heißt Mensch - weil er hofft und liebt - und glaubt!”

 

Liebe Gemeinde,

was mir Kraft schenkt? Es sind Stunden wie diese, die ich hier und heute gemeinsam mit Ihnen verbringen darf.  Gottesdienst. Ein „Zeit – Raum“, in dem Gott uns dient. Eine Atempause für die Seele.

Sein Friede, der höher ist als unser Wissen und Verstehen, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen.

Gemeinde in der Kirche

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