Predigt vom Sonntag, 30.12.2018

Predigt zu Matthäus 2, 13-23, 1. Sonntag nach dem Christfest, 30.12.2018, 9.30 Uhr, St. Laurentius, Neuendettelsau, Pfarrerin Karin Lefèvre

13 Als die Weisen aber hinweggezogen waren, siehe, da erschien der Engel des Herrn dem Josef im Traum und sprach: Steh auf, nimm das Kindlein und seine Mutter mit dir und flieh nach Ägypten und bleib dort, bis ich dir's sage; denn Herodes hat vor, das Kindlein zu suchen, um es umzubringen. 14 Da stand er auf und nahm das Kindlein und seine Mutter mit sich bei Nacht und entwich nach Ägypten 15 und blieb dort bis nach dem Tod des Herodes, auf dass erfüllt würde, was der Herr durch den Propheten gesagt hat, der da spricht (Hosea 11,1): »Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen.«

16 Als Herodes nun sah, dass er von den Weisen betrogen war, wurde er sehr zornig und schickte aus und ließ alle Knaben in Bethlehem töten und in der ganzen Gegend, die zweijährig und darunter waren, nach der Zeit, die er von den Weisen genau erkundet hatte. 17 Da wurde erfüllt, was gesagt ist durch den Propheten Jeremia, der da spricht (Jeremia 31,15): 18 »In Rama hat man ein Geschrei gehört, viel Weinen und Wehklagen; Rahel beweinte ihre Kinder und wollte sich nicht trösten lassen, denn es war aus mit ihnen.«

19 Als aber Herodes gestorben war, siehe, da erschien der Engel des Herrn dem Josef im Traum in Ägypten 20 und sprach: Steh auf, nimm das Kindlein und seine Mutter mit dir und zieh hin in das Land Israel; sie sind gestorben, die dem Kindlein nach dem Leben getrachtet haben. 21 Da stand er auf und nahm das Kindlein und seine Mutter mit sich und kam in das Land Israel. 22 Als er aber hörte, dass Archelaus in Judäa König war anstatt seines Vaters Herodes, fürchtete er sich, dorthin zu gehen. Und im Traum empfing er einen Befehl und zog ins galiläische Land 23 und kam und wohnte in einer Stadt mit Namen Nazareth, auf dass erfüllt würde, was gesagt ist durch die Propheten: Er soll Nazoräer heißen.

Liebe Gemeinde,

kaum jemand wundert sich darüber, dass der Mann an Marias Seite Joseph heißt! Das ist halt einfach sein Name, denken viele. Doch das stimmt nicht. Die biblischen Namen wurden mit Bedacht gewählt und haben eine besondere Bedeutung. So auch der Name Joseph.

Es gibt schon in der hebräischen Bibel einen besonderen Joseph, in dessen Leben Träume eine große Rolle spielen: Es ist das erste gemeinsame Kind von Jakob und Rahel. Als 17-Jähriger wird er von seinen Brüdern als Sklave verkauft und landet in Ägypten. Dort macht er – aufgrund seiner Fähigkeit, die Träume des Pharao zu deuten, eine unglaubliche Karriere und steigt auf zum zweiten Mann im Staat. In dieser Position hat er Jahre später die Möglichkeit, seine Familie vor dem Hungertod zu retten und sich mit seinen Brüdern zu versöhnen.

All das spielt in der Kindheitsgeschichte Jesu, wie Matthäus sie überliefert, eine große Rolle.

Ägypten, das ist für uns ein ziemlich exotisches Land. Bis vor kurzem war es ein beliebtes Urlaubsziel, wegen des herrlich warmen Wassers und der Pyramiden, die zu den sieben Weltwundern gehören.

In der jüdischen Überlieferung sieht das ganz anders aus. Da ist Ägypten ein Land, das hohe politische Brisanz besitzt. Zwar hat man in der langen gemeinsamen Geschichte gelegentlich versucht, miteinander eine Allianz zu bilden, wenn z.B. im Norden die Babylonier oder Perser als gemeinsame Feinde auftauchten. Doch meistens herrschte Konkurrenz bis Feindschaft zwischen den beiden Nationen.

In der alten hebräischen Überlieferung steht Ägypten für eine Welt, in der der Mensch sich nur nach dem äußeren offensichtlichen Anschein richtet und für das innere (seelische) Leben keinen Sinn mehr hat. Schon das hebräische Wort für Ägypten, "Mizrajim", zeigt, dass dort alles durch die Zweiheit und den Widerspruch bestimmt ist. Wie gesagt, es zählt nur der äußere Augenschein und ob etwas nützlich ist oder nicht. Alles wird nach dem materiellen Wert bemessen. Karriere, Wissenschaft, Reichtum und politische Macht, sie sind das, was zählt, was wirklich wichtig ist. Dem wird auch alles geopfert, selbst wenn man dafür die Nachfahren des ehemaligen hebräischen Retters Joseph versklaven muss. Was zählen schon die Verdienste der Vergangenheit?

Klingt das nicht alles irgendwie sehr modern? Kaum zu fassen, dass diese Gedanken jahrtausendealt sind!

In diese Welt muss also der zweite Joseph, der Mann der Maria, mit dem kleinen Jesus fliehen.

Jesus, der uns aus aller Zerrissenheit, aus aller materiellen Oberflächlichkeit, aus aller Rechthaberei, die über Leichen zu gehen bereit ist, erlösen will, begibt sich in all das hinein. Niemand kann da behaupten, dass Jesus nicht weiß, wovon er redet und dass er weltfremd Unmögliches von uns fordert!

Das wird auch noch einmal dadurch deutlich gemacht, dass Jesus nach der Rückkehr aus Ägypten in Nazareth in Galiläa aufwächst. Uns sagt das nicht viel. Aber zur Zeit Jesu, vor allem während seiner Kindheit, war es ein besonderer Ort. Wer in Nazareth aufwuchs, hörte einen Satz immer wieder: "Der Tag, als die Römer kamen!" Gemeint ist damit eine römische Strafexpedition, die alles in Schutt und Asche legte. Wer nicht fliehen konnte, wurde ermordet, vergewaltigt, versklavt. Die Zerstörung war vollkommen und sollte lange anhalten.

All dies war Matthäus bekannt, denn er ist der Evangelist, der tief im Judentum beheimatet ist.

Und natürlich können wir eine harmonische Geschichte über Jesu Kindheit aus den verschiedenen Evangelien bilden. Allerdings zahlen wir dafür einen Preis, denn dann müssen wir auf das Besondere verzichten, das die einzelnen Evangelien uns nahebringen wollen.

Nach all dem, was ich erzählt habe, wird vielleicht für Sie alle deutlich, dass es Matthäus auch darum geht, zwei gegensätzliche Typen von Königreichen nebeneinander zu stellen. Auf der einen Seite das, wofür die Pharaonen und auch König Herodes stehen: Machtgier, Korruption und äußerste Brutalität, wenn es um ihre Interessen geht.

Auf der anderen Seite das Königreich Jesu. Es ist geprägt davon, dass, wer herrschen will, der Diener aller sein muss und davon, dass die Starken sich aufmachen, um die Verlorenen zu suchen und die Verletzen zu verbinden. Ja, Jesus geht soweit, dass er uns auffordert: Liebet eure Feinde, bittet für die, die euch verfolgen, damit ihr Kinder eures Vaters im Himmel seid. (Mt. 5,44)

Natürlich werden sich etliche jetzt fragen: Wie soll Jesu Haltung sich durchsetzen können in einer Zeit wie unserer, mit so großen Spannungen zwischen den Religionen, Konfessionen, Nationen, politischen Systemen?

Wie soll Friede werden, wenn Hass und Gewalt eine schier endlose Negativspirale am Laufen halten? Wie sollen wir denen Liebe entgegen setzen, die Hass predigen und Vernichtung praktizieren?

Nun, dazu habe ich einen Bericht gefunden, der zeigt, wie Gottes Geist auch heute noch diesen Weg, den Jesus uns gezeigt hat, möglich macht:

Einer von den vielen, die auf abenteuerliche Weise von Jesu Geist ergriffen worden sind, ist Yassir Eric. Er stammt aus einem Clan, der in der nordsudanesischen Hauptstadt Khartum zu den besonders angesehenen Familien gehört. Der Vater spielte eine führende Rolle als fundamentalistischer Moslembruder und Regierungsbeamter im Bürgerkrieg gegen die christlichen Stämme des Südsudan. Yassir hat eine strenge Koranschule besucht, später islamische Theologie studiert. Er lernte, die Christen und Juden und alle liberalen Moslems zu hassen, und hielt es für richtig, sie zu bekämpfen und zu töten. Er hat gelernt zu hassen. Dann aber wurde sein Lieblingsonkel Khaled, ein führender Mann des brutalen sudanesischen Geheimdienstes, Christ. Das erschütterte den jungen Erwachsenen zutiefst. Fünf Jahre lang war der Onkel nun selbst den Foltern und Gefängnisbedingungen im Sudan ausgeliefert. Besucht wurde er von südsudanesischen Christen. Denen ist Yassir einmal begegnet, als der Sohn des Onkels sterbend im Koma im Krankenhaus lag und Yassir bei ihm war. Diese verhassten Christen beteten für seinen sterbenden Cousin – und auf einmal wachte dieser aus dem Koma auf, kam wieder zu Kräften und wurde geheilt. Diese zweite, jetzt positive Erschütterung führte ihn dazu, heimlich eine Bibel zu kaufen und darin zu lesen. Und beim Lesen der Bibel wurde dieser junge Dschihadist vom Geist Jesu ergriffen. Schließlich bekannte er sich zum Glauben an Jesus. Er wurde Christ. Konsequent wurde er von seiner Familie verstoßen, von der Geheimpolizei überwacht und nach einiger Zeit auch gefoltert und unter furchtbaren Bedingungen gefangen gehalten. Später ist er ins benachbarte Kenia gegangen und hat von dort aus Bürgerkriegsopfer im Südsudan mit internationalen Hilfswerken unterstützt. Dabei hat er seine heutige Frau, eine deutsche Christin, kennengelernt. Heute lebt er mit seiner Frau und den drei Kindern in Süddeutschland und arbeitet als evangelischer Pfarrer und Leiter des Europäischen Instituts für Migration, Integration und Islamthemen. Kulturelle und religiöse Verständigung sind sein Lebensprojekt. Abgebildet ist dies in seinem Buch: „Hass gelernt, Liebe erfahren. Vom Islamisten zum Brückenbauer“ (adeo-Verlag 2017).

Aus der Herodes-Perspektive sind sie alle gefährlich, die Fremden, die den neugeborenen König suchen, die Neugeborenen, unter denen einer ihm die Macht nehmen wird. Aus der Herodes-Perspektive sind sie alle gefährlich, die liberalen Muslime, die Juden, die Christen, der verdorbene Westen. Aus der Herodes-Perspektive sind sie alle gefährlich, die Flüchtlinge, die Moslems, von denen einige behaupten, dass sie unser Land zu einem islamischen Staat machen wollen.

Wir aber werden nicht hassen, sondern im Geist Jesu lieben. Das ist der Geist Jesu, dem wir gehören. Wir werden Brücken bauen und für Menschen mit Herodes-Perspektive beten. Wir werden sie nicht hassen, sondern lieben. Und der Geist Jesu wird sie berühren und verändern, wenn wir uns schicken lassen, von Jesus berühren lassen, die Joseph-Perspektive einnehmen.

Amen

Und der Friede Gottes, welcher höher ist, als alles, was unsere Vernunft denken und sagen kann, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

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