Predigt vom Palmsonntag, 14.04.2019

Predigt zu Jesaja 50, 4-9; Palmsonntag, 14.04.2019, 9.30 Uhr; St. Laurentius Neuendettelsau; Pfarrer Dr. Peter Munzert

Liebe Gemeinde!

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Der Predigttext für den heutigen Palmsonntag ist das sogenannte dritte Gottesknechtslied. Es gibt insgesamt vier im Alten Testament. Sie finden sich alle im Buch des Propheten Jesaja. Ihnen gemeinsam ist die Rede vom Knecht oder auch Diener Gottes.

Leider wissen wir nicht genau, wer mit diesem Gottesknecht tatsächlich gemeint war. Das ist bis heute in den Bibelwissenschaften nicht geklärt. Manchmal ist wohl das Volk Israel gemeint, manches deutet auf den Propheten Jesaja selbst hin, manches auf eine einzelne messianische Person – und damit kommt Jesus Christus mit ins Spiel.

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Zumindest für die ersten Christen war es wohl ein naheliegender Gedanke, dass die alte prophetische Rede vom Knecht Gottes auf Jesus gemünzt sein musste. Denn es gab zu viele Parallelen, als dass es nur ein Zufall hätte gewesen sein können. Wie der Gottesknecht musste auch Jesus unschuldig leiden, wurde gefoltert und geschlagen und nahm all das um anderer Menschen willen auf sich – so dass sich die Folgerung wie von selbst ergab, mit dem Gottesknecht sei in Wahrheit schon immer der Messias, also Jesus Christus, der Sohn Gottes, gemeint.

Mit der Geschichte vom Einzug Jesu in Jerusalem zu Beginn des Passahfestes am heutigen Palmsonntag - und damit am Beginn der Karwoche - werden die prophetischen Worte Jesajas mit echtem Leben gefüllt.

Jesus zieht in Jerusalem ein. Viele Menschen begleiten ihn mit großer Begeisterung und wohl noch größeren Hoffnungen und Erwartungen. Sie behandeln ihn wie einen König. Sie legen ihm ihre Kleidung zu Füßen und bereiten ihm mit Palmzweigen einen fürstlichen Empfang. Sie ehren ihn mit Jubelrufen: „Hosianna - gelobt sei, der da kommt, im Namen des Herrn!“ Noch deutet nichts auf das kommende Unheil hin.

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Nur fünf Tage später wird Jesus verhaftet, er wird wegen seines Königtums verspottet, er wird gefoltert und dann grausam ermordet. Statt „Hosianna“ erschallt nun „Kreuzigt ihn!“ auf den Straßen.

Das alles erinnert an das dritte Gottesknechtslied im Buch des Propheten Jesaja, Kapitel 50, Verse 4-9:

4 Gott der Herr hat mir eine Zunge gegeben, wie sie Jünger haben, dass ich wisse, mit den Müden zu rechter Zeit zu reden. Er weckt mich alle Morgen; er weckt mir das Ohr, dass ich höre, wie Jünger hören.

5 Gott der Herr hat mir das Ohr geöffnet. Und ich bin nicht ungehorsam und weiche nicht zurück.

6 Ich bot meinen Rücken dar denen, die mich schlugen, und meine Wangen denen, die mich rauften. Mein Angesicht verbarg ich nicht vor Schmach und Speichel.

7 Aber Gott der Herr hilft mir, darum werde ich nicht zuschanden. Darum hab ich mein Angesicht hart gemacht wie einen Kieselstein; denn ich weiß, dass ich nicht zuschanden werde.

8 Er ist nahe, der mich gerecht spricht; wer will mit mir rechten? Lasst uns zusammen vortreten! Wer will mein Recht anfechten? Der komme her zu mir!

9 Siehe, Gott der Herr hilft mir; wer will mich verdammen? Siehe, sie alle werden wie ein Kleid zerfallen, Motten werden sie fressen.

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Was verbindet das Gottesknechtslied mit dem Einzug Jesu in Jerusalem? Es ist auf der einen Seite die grauenvolle Vorahnung oder - vielleicht besser - das Wissen um den unausweichlichen Tod Jesu, aber auf der anderen Seite auch die Gewissheit, dass in allem, was kommt, Gott da ist, dass er beisteht, dass er Gerechtigkeit schaffen wird und dass diese Gerechtigkeit weiterwirken und die Welt verändern wird.

Es ist trotz allem ein harter und ein blutiger, wenn auch konsequenter Weg. Weder der Gottesknecht noch Jesus hatten wirkliche eine Wahl. Sie hätten dafür ihren Lebensweg gänzlich verlassen müssen und einen anderen, sicheren Pfad einschlagen müssen – dann aber wären sie sich selbst untreu geworden und hätten ihre eigenen Werte und Ideale und die Wahrheit Gottes verleugnet.

Menschen treten ein für ihre Ideen, für das, woran sie glauben, für ihre inneren und festen Überzeugungen, und sie sind auch bereit, dafür zu kämpfen. In unsicheren Ländern und unter Diktaturen kann dies auch heute noch mit Verfolgung, Gefängnis, Folter oder gar mit dem Tod bestraft werden.

Das Neue Testament erzählt, wie Gottes Sohn sich in dieses dunkle Grauen hineinbegeben hat, in die Abgründe des Karfreitags, wo Menschen auf einmal das Leben verraten und Gefallen finden an Macht und Gewalt.

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Und dann im dem Moment, wo die Verzweiflung und die Hoffnungslosigkeit die Oberhand gewonnen haben, erwacht das Leben neu. Die Hoffnung auf eine Zukunft in Gerechtigkeit, gepaart mit neuem Mut und neuer Kraft, beflügeln Menschen, nicht aufzugeben, sondern sich mit neuer Energie für das Leben und die Gerechtigkeit einzusetzen. Auf den Karfreitag folgt so der Ostermorgen, auf das Kreuz und den dunkel-gewittrigen Himmel folgt das leere Grab im hell erstrahlenden Licht.

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Jochen Klepper hat im Jahr 1938 diesen Trost in sein Lied „Er weckt mich alle Morgen“ aufgenommen, das wir zu Beginn des Gottesdienstes als Morgenlied 452 gesungen haben. Klepper hat dieses Lied im Anschluss an Jesaja 50 gedichtet, vier Jahre, bevor er sich mit seiner Frau und ihrer Tochter Renate das Leben nahm, um nicht in ein KZ deportiert zu werden.

Er hatte gedichtet:

4 Er ist mir täglich nahe

und spricht mich selbst gerecht.

Was ich von ihm empfahe,

gibt sonst kein Herr dem Knecht.

Wie wohl hat’s hier der Sklave,

der Herr hält sich bereit,

dass er ihn aus dem Schlafe

zu seinem Dienst geleit.

5 Er will mich früh umhüllen

mit seinem Wort und Licht,

verheißen und erfüllen,

damit mir nichts gebricht;

will vollen Lohn mir zahlen,

fragt nicht, ob ich versag.

Sein Wort will helle strahlen,

wie dunkel auch der Tag.

Dieser letzte Vers ist Trost gegen alle Verzweiflung, er spricht Mut zu gegen Mutlosigkeit und Hoffnung gegen tiefe Angst.

Klepper wusste um das Dunkel in unserer Existenz, um drohende Gewalt und um Tage, wo es schlicht kein Licht gibt. Wo die Finsternis, nun auch symbolisch gesprochen, ihren Mantel der Vernichtung über alles Leben zu legen scheint.

(7)

Und doch lassen sich Menschen davon nicht abhalten und engagieren sich für das Leben – sei es heute für das Klima, für das sich Schülerinnen und Schüler einsetzen, sei es für politische Freiheit in Europa, sei es für die Gleichberechtigung von Mann und Frau in Religion und Gesellschaft, sei für das Lebensrecht von Menschen in Verfolgung und Krieg.

Überall dort strahlt helles Licht gegen dunkle Tage, hüllt Gottes Wort Menschen ein wie mit einem bergenden Mantel und macht ihnen Mut - es lässt sie aufbrechen, Gleichgesinnte finden und miteinander ihren Weg gehen. Und dann könnten wir erneut sagen:

Hosianna, gelobt sei, der da loszieht im Namen des Herrn.

Amen.

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