Predigt vom Sonntag, 23. September 2018

Predigt zum 17. Sonntag nach Trinitatis 2018 über Jesaja 49, 1-6 (Reihe IV)

Im zweiten Teil des Jesaja- Buches tritt viermal eine Gestalt auf, die „Knecht Gottes“ oder „Gottesknecht“ genannt wird. Im ersten Lied stellt Gott selbst seinen Knecht und seine prophetisch-königliche Aufgabe für die Völkerwelt vor: „Er wird das geknickte Rohr nicht zerbrechen und den glimmenden Docht wir Er nicht auslöschen.“

Im zweiten Lied kommt der Knecht selbst zu Wort. Er blickt zurück auf seine Erwählung durch Gott und seine vergebliche Mühe. Dennoch weiß er sich von Gott neu gerufen, nicht nur Israel, sondern die ganze Völkerwelt zu IHM zurückzuführen; er soll zum Licht für alle Völker werden. Wir singen bis heute davon in jeder Komplet: „Meine Augen haben deinen Heiland gesehen, den du bereitet hast vor allen Völkern, ein Licht, zu erleuchten die Heiden und zum Preis deines Volkes Israel“ (Lukas 2, 30f).

Im dritten Lied sagt er von sich: Gott hat mir die Gabe des Zuhörens und das Wort der Ermutigung für Müde-Gewordene gegeben. „Er weckt mich alle Morgen, er weckt mir selbst das Ohr“ (vgl. EG 452).

Am vertrautesten ist wohl das vierte Lied, das Lied vom leidenden Gottesknecht; „Fürwahr, er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen. Durch seine Wunden sind wir geheilt.“ Es prägt unsere Frömmigkeit und Liturgie bis heute.

Ein geheimnisvoller Mensch, dieser Gottesknecht. Es ist, als sammelten sich in ihm wie in einem Brennglas die verschiedenen Aspekte der Beziehung, die das Volk Israel zu seinem Gott und zu den anderen Völkern hat: Gottes Berufung und Auftrag, das Zweifeln und Leiden an diesem Auftrag und schließlich die universale Aufgabe, die Gott ihm zugedacht hat: Die Sendung hinein in die Völkerwelt, obwohl er scheinbar gescheitert ist.

Viele jüdische Auslegungen beziehen diese Lieder auf den Messias, dessen Kommen noch aussteht, doch andere erkennen Israel als ganzes Volk in diesem Gottesknecht wieder, sie erblicken in Israel sein Schicksal und seine Sendung.

Die Kirche erkennt Jesus in dem Gottesknecht. Das beginnt in den Schriften des neuen Testaments: „Das ist mein geliebter Knecht, ihn sollt ihr hören“, heißt es schon in der Taufe Jesu. „Von wem sagt der Prophet dies alles?“, lässt Lukas den Kämmerer aus dem Morgenland fragen, der auf seinem Wagen das Lied vom Leiden und der Rettung des Gottesknechtes halblaut vor sich hin liest. Der Diakon Philippus gibt die Antwort, indem er ihm die Geschichte des Leidens, Sterbens und der Auferstehung von Jesus Christus erzählt.

Was hat der Gottesknecht mit uns zu tun? Eines ist klar: Als Christen teilen wir den Glauben des Neuen Testamentes und der Kirche, dass Jesus dieser Gottesknecht ist. Doch welche Rolle spielt er in unserem Leben? Wo finde ich mich in dem, was ihm widerfährt an Hilfe, aber auch an Schwerem?

Diesen Fragen gehen wir nach und schauen dabei auf ihn, den Gottesknecht, und auf uns selbst, und das in drei Schritten: 1. berufen sein –2. zweifeln – 3. Zukunft haben.

1. Der Gottesknecht wird von Gott berufenWir sind berufen durch unsere Taufe

Da ruft Gott einen Menschen, er ruft ihn, bevor der noch hören kann und gibt ihm schon einen Auftrag für die anderen, bevor er auf die Bühne der Welt tritt. Gott hat das erste Wort – so haben wir gesungen. Er hat dieses Wort auch in unserem Leben. „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein.“ Das wird in der Heiligen Taufliturgie über dem Täufling ausgesprochen. Über allem, was über uns Menschen und unser Leben gesagt wird und vielleicht auch gesagt werden muss, über alldem steht dieses Wort Gottes. Es ist ein Wort des Segens. Wir sind gesegnet, weil Gott zu uns tritt und uns anredet.

2. Der Gottesknecht erfährt Selbstzweifel, Scheitern und Leid – Wir erleben Anfechtung und Not

Als der Gottesknecht daran geht, seinen Auftrag zu erfüllen, Gottes Wort auszurichten, da stößt er an Grenzen: Er wird missverstanden, verachtet. Und vielleicht schlimmer noch. Zweifel plagen ihn: „Ich aber dachte, ich arbeitete vergeblich und verzehrte meine Kraft umsonst und unnütz.“ Er wird von Anfechtung heimgesucht. Anfechtung. Der Dichter Rainer Maria Rilke schreibt an einen jungen, von Selbstzweifeln gepeinigten Künstlerkollegen: „Glaube nicht, dass dir etwas Fremdes widerfährt“. In der Tat, uns widerfährt nichts Fremdes, wenn wir zweifeln, an der Welt, an uns selbst, ja auch an Gott. Uns widerfährt nichts Fremdes. Wir wissen nicht, warum das so ist, warum der Zweifel, die Anfechtung sein müssen. Aber wir wissen, dass sie immer wieder da sind. Doch dürfen wir uns mitten in diesen Anfechtungen umgeben wissen von denen, die das vor uns durchlebt haben. Und vor allem: Wir sind getragen von Jesus, dem Gottesknecht, der auch für uns ruft: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen.“ Sein Gebet läutert und heilt die Wunden, die der Zweifel und die Verzweiflung schlagen.

3. Der Gottesknecht hat eine Zukunft; er wird am Ende berufen, Licht für die Völker zu sein. - Doch wohin geht unsere Reise?

Am Ende erneuert Gott seinen Auftrag an den Propheten, ja er weitet ihn sogar noch aus: „Es ist zu wenig, dass du mein Knecht bist, die Stämme Jakobs aufzurichten und die Zerstreuten Israels wiederzubringen, sondern ich habe dich auch zum Licht der Heiden gemacht, dass du seist mein Heil bis an die Enden der Erde.“ Der Horizont wird aufgerissen, es kommt die ganze Welt in den Blick: Gott ist es zu wenig, sich auf Israel zu beschränken. Das Heil geht in die Welt.

Und unsere Reise? Wohin geht unsere Reise? Ich muss manchmal an den Gottesknecht denken, wenn wir in der Komplet den Lobgesang des Simeon singen: „Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren …“ Unsere Reise ist noch nicht zu Ende. Wir singen keinen Schwanengesang auf unser Leben und auf die Zukunft des Glaubens. Wenn auch die Schar klein sein mag, die da singt, und die Stimmen manchmal unsicher und müde klingen. Sie zünden ein Licht an in der Welt, setzen ein Zeichen der Hoffnung auf die endgültige Erlösung, rufen den großen Frieden herbei für alle Menschen.

Dieser Knecht, den Gott sich erwählt hat, er wird zum Licht für die Völker, er trägt das Heil bis an die Enden der Erde. Gott denkt global. Und wir dürfen genauso global denken. Auch unser Lied, und mag es uns noch so schwach und zaghaft über die Lippen kommen, unser Lied trägt das Heil weiter und lässt Hoffnung aufstrahlen.

Pfr. Peter Schwarz

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