Predigt vom 8. So. n. Trin., 11. August 2019

Predigt über Jesaja 2, 1-5; 8. Sonntag nach Trinitatis, 11. August 2019, Kirchweihe, 9.30 Uhr; St. Laurentius, Neuendettelsau; Rektor Mathias Hartmann

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Liebe Gemeinde!

„Warum glauben Sie an Gott?“ - Ist Ihnen diese Frage schon einmal gestellt worden? Sie, liebe Schwestern, haben das in Ihrem Dienst sicher mehr als einmal erlebt. Auch mir als Pfarrer ist diese Frage schon oft gestellt worden. „Warum glauben Sie an Gott?“ Manchmal klingt diese Frage skeptisch oder herausfordernd, so, als wollte der Fragende sagen: „Wie kann man denn heute noch an Gott glauben?“ Manchmal spürt man aber auch das ehrliche Suchen oder den Zweifel des Fragenden, der hofft, endlich etwas Überzeugendes zu hören.

Man kann diese Frage mit einem Blick zurück beantworten. Mancher erzählt dann vielleicht, dass er von seinen Eltern im Glauben erzogen wurde. Mancher erzählt von einer inneren Überzeugung, die gereift ist, oder sogar von einem Erlebnis, das ihn zum Glauben gebracht hat – ein Bekehrungserlebnis sozusagen, wie es auch der Apostel Paulus gemacht hat. Das alles sind mögliche Antworten. Ich bin vor einiger Zeit dazu übergegangen, diese Frage nicht mit einem Blick zurück zu beantworten, sondern mit einem Blick nach vorne, in die Zukunft. Das „Warum“ meines Glaubens liegt im Ziel meines Glaubens. Wie ich das meine, möchte ich Ihnen gerne anhand des Predigttextes verdeutlichen. Ich lese den Predigttext aus dem Buch des Propheten Jesaja im zweiten Kapitel.

1 Dies ist das Wort, das Jesaja, der Sohn des Amoz, schaute über Juda und Jerusalem.

2 Es wird zur letzten Zeit der Berg, da des HERRN Haus ist, fest stehen, höher als alle Berge und über alle Hügel erhaben, und alle Heiden werden herzulaufen,

3 und viele Völker werden hingehen und sagen: Kommt, lasst uns hinaufgehen zum Berg des HERRN, zum Hause des Gottes Jakobs, dass er uns lehre seine Wege und wir wandeln auf seinen Steigen! Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des HERRN Wort von Jerusalem.

4 Und er wird richten unter den Nationen und zurechtweisen viele Völker. Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen machen und ihre Spieße zu Sicheln. Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.

5 Kommt nun, ihr vom Hause Jakob, lasst uns wandeln im Licht des HERRN!

Jesaja redet von einer großartigen Vision. In der Zukunft, so sagt er, wird der Glaube an Gott dazu führen, dass alle Völker sich an seinem Wort orientieren und miteinander im Frieden leben. Er malt seinen Zuhörern mit seinen Worten ein leuchtendes Bild vor Augen. Menschen aller Nationen und Nationalitäten kommen nach Jerusalem zum Zionsberg, dorthin wo der Tempel steht. Und der Zionsberg wird höher sein als alles um ihn herum und er wird zum Zentrum werden, zu dem alle hinkommen, um für ihr Leben eine Richtung zu bekommen. Sie werden die Weisungen Gottes ernst nehmen und mit den anderen Menschen in Frieden leben. Das führt so weit, dass sie keine Waffen mehr brauchen und aus ihren Waffen Werkzeuge für den Alltagsgebrauch machen. Schwerter und Lanzen werden zu Pflügen und Winzermessern. Und die Menschen werden vergessen, wie es geht, Krieg zu führen, weil dieses Wissen komplett nutzlos ist. Ist das nicht eine fantastische Vision, die Jesaja hier beschreibt?

Ja, eine fantastische Vision! Und auch eine sehr gute Antwort auf die Frage: „Warum glaubst du an Gott?“ Ich formuliere die Antwort des Jesaja einmal so: „Ich glaube an Gott, weil dieser Glaube das Ziel hat, dass alle Menschen in Frieden miteinander leben.“ Aber stimmt das denn? Ist das wirklich das Ziel unseres Glaubens? Ist Jesajas Vision nicht nur eine ferne Hoffnung darauf, dass Gott irgendwann eingreift und alles mit einem Schlag anders ist? Ist es nicht so, dass wir Menschen es doch sowieso nicht in der Hand haben, Frieden zu halten? Ich kann diese Skepsis verstehen. Wenn wir darauf schauen, welche Konflikte in der ganzen Welt durch Kriege ausgetragen werden, dann kann uns das schon sehr deprimieren. Gab es nicht immer in der Geschichte der Menschheit Unfrieden und Kriege? Warum sollte das jemals anders sein? Und doch bleibe ich dabei: Das Ziel unseres Glaubens ist, dass wir Menschen in Frieden miteinander leben. Natürlich ist das eine große Aufgabe und natürlich kann ich nicht sinnvollerweise behaupten, dass die Vision des Jesaja in Kürze realisiert ist. Aber ich kann viele Beispiele dafür aufzählen, dass das tatsächlich gelingt. Noch nicht vollständig - aber immer wieder, im Kleinen wie im Großen.

Frieden untereinander beginnt zwischen Menschen, die trotz vielfältiger Unterschiede friedlich miteinander leben. In Familien, in Gruppen, in der Nachbarschaft, in Gemeinden, in einem Land. Und ich entdecke, dass Menschen, die ihren Glauben ernst nehmen, zu denjenigen gehören, die sich in diesen Kontexten für Frieden einsetzen. Als Ehrenamtliche in Kirchengemeinden, als Helfer in Flüchtlingsunterkünften, als Mitarbeiter in der Diakonie. Das alles sind Menschen, die für ein gutes und friedliches Miteinander in unserem Land sorgen. Friede beginnt da, wo ein Mensch den anderen nicht ablehnt, weil er anders ist. Friede beginnt da, wo bei Konflikten nach Versöhnung gesucht wird. Friede beginnt da, wo jeder nicht nur an sich, sondern auch an andere denkt. Und dieser Friede, der zwischen den Menschen realisiert wird, hat Auswirkungen auf die Gesellschaft, und er hat Auswirkungen auf das Miteinander zwischen Nationen.

Der Journalist Walter Wüllenweber hat im letzten Jahr ein Buch veröffentlicht mit dem Titel: „Frohe Botschaft. Es steht nicht gut um die Menschheit – aber besser als je zuvor.“ Wüllenweber schaut zurück in die Geschichte und kommt zu dem interessanten Ergebnis, dass es uns Menschen heute so gut geht wie nie zuvor in der Menschheitsgeschichte. Der Homo sapiens, der Mensch, war noch nie so gesund, so gebildet, so wohlhabend, so frei und so sicher vor Gewalt wie heute. Die letzten Jahrzehnte, so Wüllenweber, waren die beste Phase in der Geschichte des Menschen. Natürlich bleibt noch viel zu tun, und natürlich profitieren nicht alle Menschen von dem, was positiv erreicht worden ist. Aber es stimmt eben nicht, dass alles immer schlimmer wird. Doch Wüllenwebers Botschaft ist kein Wohlfühlprogramm. Vielmehr macht er deutlich, dass es sich genau darum eben lohnt, sich zu engagieren und für weitere Verbesserungen zu sorgen. Frieden zwischen den Menschen, Frieden zwischen immer mehr Menschen ist keine Utopie, sondern machbar. Schließlich haben wir in Europa noch nie zuvor eine solch lange Periode des Friedens gehabt, wie diejenige, in der wir seit dem zweiten Weltkrieg leben.

Auch der christliche Theologe Hans Küng ist davon überzeugt, dass Frieden machbar ist. Er setzt sich mit Angehörigen unterschiedlicher Religionen für Frieden ein. Hans Küng ist überzeugt: Es gibt nur Frieden unter den Nationen, wenn es Frieden zwischen den Religionen gibt. Und darum hat er vor über 25 Jahren sein „Projekt Weltethos“ ins Leben gerufen. Es setzt sich ein für Dialog zwischen den Religionen, weil er das Gespräch über gemeinsame Werte bei den Angehörigen der verschiedenen Weltreligionen fördern möchte. Das Ziel dieses „Projekt Weltethos“ ist die Förderung des friedlichen und respektvollen Zusammenlebens von Menschen unterschiedlicher kultureller und religiöser Hintergründe. Ich habe diesen Dialog vor vielen Jahren persönlich erlebt, als ich als Studentenpfarrer in Bamberg gearbeitet habe. Es gab in Bamberg eine Ortsgruppe der sogenannten „Weltkonferenz der Religionen für den Frieden“ – in ihr trafen sich Christen, Muslime und Juden, um sich und die Religion des jeweils anderen kennen zu lernen, sich über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede auszutauschen und sich miteinander für respektvolles und friedliches Zusammenleben in Bamberg einzusetzen. Das waren Begegnungen, die hochinteressant waren und mich im Umgang mit Menschen anderer Religion sehr geprägt haben. Für mich waren und sind diese Begegnungen gute Beispiel dafür, dass Frieden keine Utopie, sondern eine ganz reale Möglichkeit ist.

Ja, ich gebe zu, die Vision von Hans Küng unterscheidet sich von der des Propheten Jesaja. Jesaja hofft darauf, dass alle Völker nach Jerusalem pilgern, um vom Gott Israels Weisung zu bekommen und sich am Glauben an ihn zu orientieren. Küng modifiziert das und sagt aus der heutigen Perspektive, dass Frieden möglich ist, selbst wenn Menschen unterschiedlichen Religionen angehören, weil das Ethos - also die Werteorientierung der verschiedenen Religionen - eine große Schnittmenge hat. Jesajas Vision wurde bereits durch Jesu Botschaft und die Heidenmission des Apostels Paulus weitergeführt. Dies war der erste Schritt, der deutlich machte, dass sich der Glaube an Gott nicht mehr an einen Ort, an den Tempel, binden musste. Auch an anderen Orten können Menschen ihren Glauben leben und durch ihren Glauben Orientierung für ihr Leben bekommen.

Ich denke, dass der Schritt, den Hans Küng tut, der nächste, richtige Schritt in der heutigen Zeit ist. Unsere Vision kann heute nicht mehr sein, dass alle Menschen denselben Glauben haben. Unsere Vision sollte sein, dass sich alle Menschen aus ihren unterschiedlichen Hintergründen heraus für ein friedliches Zusammenleben stark machen.

„Ich glaube, weil dieser Glaube das Ziel hat, dass alle Menschen in Frieden miteinander leben.“ So habe ich es vorhin formuliert. Doch es reicht nicht, ein hohes Ziel zu haben, man muss auch den Weg dahin kennen. Und Jesaja benennt diesen Weg. Nachdem er seinen Zuhörern die leuchtende Vision der Wallfahrt der Völker zum Zion vor Augen gemalt hat, zieht er in Vers fünf die Schlussfolgerung: „Kommt nun, ihr vom Hause Jakob, lasst uns wandeln im Licht des Herrn!“ Und Jesaja macht damit deutlich: Es kann nur dann Friede werden, wenn jeder von uns mit dem Frieden anfängt. Der Weg zum Frieden ist, dass wir jetzt mit dem Frieden beginnen. In unserer Familie, bei unseren Kollegen, in unserer Gemeinde, in unserem Landkreis, in unserem Land. Da kann jeder von uns etwas beitragen dafür, dass die Vision des Jesaja Wirklichkeit wird.

Lassen Sie uns daran mitarbeiten, die Vision des Jesaja in die Realität umzusetzen, so wie er seine Zuhörer aufgefordert hat: „Lasst uns wandeln im Licht des Herrn.“

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen


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