Predigt vom Sonntag, 01.07.2018

Liebe Gemeinde,

Der Herr sprach zu Abraham: „Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will. Und ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein. Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden.“ Da zog Abraham aus, wie der Herr zu ihm gesagt hatte. (1. Mose 12, 1-4a)

Liebe Gemeinde,

diese kurze Erzählung gehört zu dem Schönsten und Bewegendsten im Alten Testament.

Warum?

Mir sind drei Gedanken dazu sehr wichtig:

Es ist (1) eine Berufungsgeschichte, es ist (2) eine Segensgeschichte und es ist (3) eine Verheißungsgeschichte.

(1.) Abram hört die Stimme Gottes. Gott begegnet ihm und ruft ihn in seinen Dienst. Das ist eine Erfahrung, die viele von uns auch gemacht haben, als sie in den Dienst von Kirche und Diakonie getreten sind, oder an einer anderen Stelle gespürt haben: „Dies ist mein Ort, mein Arbeitsplatz, hier gehöre ich hin.“ Es wird wohl kaum jemand so spektakulär und mit so klaren Worten wie Abram gehört und verstanden haben, wohin ihn Gott ruft, was er tun und wohin er gehen soll, und vielleicht braucht es manchmal auch Umwege und mehrere Stationen im Leben, bis jemand weiß, wo er wirklich hingehört.

Ich denke gerade an die vielen Schulabgänger in unseren Schulen. Manche wissen schon seit langer Zeit sehr genau, was sie einmal werden wollen, andere sind vielleicht jetzt noch auf der Suche und warten auf eine, ja vielleicht wirklich, auf eine Eingebung oder ihre innere Berufung.

Abram war 75 Jahre, als er Gottes Wort hörte. Ich möchte nicht, dass unsere Absolventinnen und Absolventen so lange warten müssen... Aber es zeigt auch, Gottes Ruf kennt keine Altersgrenzen…

Für Abraham war es sicherlich kein leichtes Los, im hohen Alter von Gott gerufen und auf den Weg geschickt zu werden. Er hatte mit seiner Frau und seiner Familie eine Heimat gefunden. Warum sollte er all das aufgeben und sich noch einmal auf einen ganz neuen Weg machen? Das Elternhaus und das Vaterland verlassen?

Abraham tut es. Die Bibel erzählt an dieser Stelle nicht von Zweifel, einem Unwillen, oder Zögern, sondern es heißt dann schlicht: „Da zog Abram aus, wie der Herr zu ihm gesagt hatte.“

(2.) Gott hat ihm zudem eine große Aufgabe zugedacht. „Ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein.“

Das hat auf der einen Seite freilich etwas Schmeichelhaftes an sich. Wer kann schon von sich sagen, dass er zum Stammvater aller Geschlechter werden soll? Andererseits hat das auch etwas Beängstigendes an sich. Mit einer solchen Verheißung ist wohl auch eine gewisse Bürde und Verantwortung verbunden.

Diese Verheißung an Abraham wird in den folgenden Kapiteln der Heiligen Schrift noch mehrfach erzählt. Sie hat so ein zentrales Gewicht für das Volk Israel, dass sie schließlich in einen ewigen Bund Gottes mit Abraham führt, der fortan Abraham heißt.

Diese Erzählung aus dem Alten Testament verbindet nun beides. Die persönliche Berufung Abrahams, der Gottes Ruf folgt, aber auch die politische Dimension, die daraus erwächst.

(3.) Denn die Vision ist großartig. Alle Geschlechter auf Erden sollen Gottes Segen erfahren. Ihr Verbindungsglied ist der gemeinsame Stammvater Abraham, mit dem Gott einen ewigen Bund geschlossen hat, der für alle Zeiten gelten soll. Juden, Christen und Muslime, die großen drei monotheistischen Religionen, berufen sich auf den gemeinsamen Stammvater und die gemeinsame Mutter.

Es ist Unglaubliches, was Gott von Abraham fordert, von Sara und Hagar, den Söhnen Ismael und Isaak. Dabei müssen Abraham und Sara auch einiges erdulden, gerade Sara erleidet als Frau in Ägypten Leid.

Doch die Bibel erzählt davon wenig. Abraham folgt Gottes Auftrag, widerspruchslos und ohne Murren, ganz im Vertrauen auf Gottes Verheißung und auf seinen Segen. Von den Sorgen oder Ängsten, die Abraham und seine Familie geplagt haben mögen, lesen wir kaum etwas.

Später, so würden wir es heute wohl formulieren, wurde Abraham von der Realität eingeholt. Die folgenden Jahre waren mit großen Anstrengungen verbunden. Das gelobte und verheißene Land war schließlich nicht unbewohnt. Menschen lebten schon lange dort und verteidigten natürlich ihre Heimat. Und auch die Bilder von der großen Nachkommenschaft, die so zahlreich wie die Sandkörner auf der Erde oder die Sterne am Himmel waren, blieben zunächst Bilder und warteten auf ihre Verwirklichung.

Die Verheißung entfaltete ihre große Kraft vor allem dadurch, dass sie eine Vision war. Eine Vision von einem großen friedlichen Volk, zu dem alle Nationen gehörten, die in Frieden miteinander lebten und im Glauben an den einen Gott miteinander verbunden waren.

(4.) Abraham ist ein großes Wagnis eingegangen. Er hat seinem Gott vertraut. Er hat Gottes Wort vertraut, Gottes Ruf, seiner Berufung. Und er hat wohl auch erkannt, welche gewaltige Kraft in dieser Vision steckt, die Menschen miteinander verbindet, ein gemeinsamer und ewiger Bund, der Gott mit den Menschen verbindet, und so die Hoffnung, auch Völker und Menschen miteinander zu verbinden, als eine große Familie.

Diese Verheißung Gottes ist für uns heute aktueller denn je. Es gibt immer noch viel zu viele Kriege und kriegerische Auseinandersetzungen. Die großen Weltkriege im vergangenen Jahrhundert und die permanenten kriegerischen Auseinandersetzungen weltweit reißen Völker auseinander und treiben Menschen in die Flucht.

Meine Großeltern und meine Eltern waren Flüchtlinge und noch heute müssen Menschen flüchten, auf der Suche nach einem Land, das sie aufnimmt, das ihnen Sicherheit gibt und für sie zum Segen wird.

Ich halte daran fest, dass Gottes Segen für alle Welt gilt, dass wir Menschen miteinander verwandt sind, dass das gleiche Blut in unseren Adern fließt, dass der gleiche Himmel mit seinen unzähligen Sternen für uns zu einem Symbol der Gemeinschaft werden kann, wie die Erde, auf der wir stehen.

GottesSegen gilt der ganzen Welt, er gilt uns allen. Wir sind ein großes Volk. Wirsind Gesegnete Gottes.

Amen

Pfr. Dr. Peter Munzert, St. Laurentius, Neuendettelsau

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